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„Und wir verständigen uns auch mit Händen und Füßen…“

Malgorzata Pabst arbeitet als gehörloser Mensch im Soester Aquafun

 

Malgorzata Pabst (3. v. r.) freut sich über ihre Stelle im Aquafun und über das tolle Verhältnis zu Timo Schirmer (Geschäftsführer), Christopher Risse (Teamleiter) und Sabine Wortmann (Personalleitung), v. l. n. r. Jessica Peters (EAA, rechts) und Frank Gerdes vom Integrationsfachdienst der Diakonie Ruhr-Hellweg begleiten das Projekt. Fotos: drh

 

Soest (drh) – Malgorzata Pabst ist an ihrem Arbeitsplatz direkt zu erkennen. „Ich bin gehörlos“, steht sowohl hinten als auch vorne auf dem schwarzen T-Shirt, das sie während der Dienstzeiten trägt. Das ist wichtig für die Kunden, die ihr jeden Tag begegnen aber auch für ihre Kolleginnen und Kollegen. Malgorzata Pabst arbeitet in völliger Stille an einem Ort, an dem es den ganzen Tag lang alles andere als ruhig ist: im Aquafun in Soest. Unterstützt werden Pabst und das Aquafun von der Diakonie Ruhr-Hellweg und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Die Geschichte von Malgorzata Pabst ist eine Erfolgsgeschichte. Eine Geschichte über den Mut, Dinge zu wagen und gleichsam über Menschen, die anderen Chancen geben, wo viele nur Hindernisse sehen.

Rund 26.000 Gäste besuchen das Freizeitbad im Soester Westen pro Monat, hier geht es turbulent zu. Es ist eben die Geräuschkulisse eines Schwimmbades, in dem Kinder toben, Jugendliche sich am Sprungturm messen und Wasser rauscht. Und mittendrin gibt es eine Welt der Stille. Diese Welt gehört Malgorzata Pabst. Sie ist eine Mitarbeiterin, die sich nicht nach Feierabend nach Ruhe für die gestressten Ohren sehnt, die nicht während der Arbeit durch Geräusche abgelenkt ist. Malgorzata Pabst ist von Geburt an gehörlos, verständigt sich ausschließlich über Gebärdensprache. Seit Anfang Juli arbeitet sie erfolgreich im Aquafun.

Spülen, die Tische abwischen, Teller einsammeln, zum Beispiel in der Sauna oder auch draußen, all das gehört zu den Aufgaben, die Malgorzata Pabst im Freizeitbad hat. „Die Routineabläufe sitzen mittlerweile richtig gut“, freut sich ihr Chef Christopher Risse, der das Team Gastronomie leitet, „Frau Pabst sieht, wo etwas zu tun ist, packt an und ist eine echte Unterstützung. Und dabei ist sie zu Beginn der Sommerferien gestartet, also zu einer Zeit, in der hier richtig viel los ist.“ Und weil alles so gut funktioniert, wird das Aufgabenspektrum der 48-Jährigen in der nächsten Zeit wahrscheinlich sogar noch erweitert.

Angefangen hat alles mit einem Praktikum im Freizeitbad im Soester Westen. Und da gab es natürlich für alle erst einmal viele Fragen: „Wir hatten zunächst großen Respekt vor der Situation“, erzählt Timo Schirmer, Geschäftsführer im Aquafun. „Wir haben uns gefragt, wie die Zusammenarbeit funktionieren kann, wie wir miteinander kommunizieren werden. Die Bedenken waren eben sehr groß. Und natürlich gab es auch bei Frau Pabst Unsicherheiten, wie die Abläufe im Betrieb sind. Doch wir haben wirklich gute Rückmeldungen aus dem Bereich und aus dem Team bekommen“, so Schirmer, „und so haben wir uns dazu entschieden, gern zu unterstützen. Wir haben uns einfach gefragt: ,Können und wollen wir uns das leisten?´ Und alle haben Ja gesagt.“ Das Aquafun erhält über das Jobcenter einen Lohnkostenzuschuss für die Beschäftigung. „Eigentlich hatten wir gar keine freie Stelle in dem Bereich, aber alle im Team waren so begeistert, dass wir Frau Pabst über Plan für 20 Wochenstunden eingestellt haben.“

Das erfordert vom Betrieb einiges: „Die Kommunikation ist natürlich schwieriger, wir besprechen nichts einfach mal eben so“, erzählt Sabine Wortmann, zuständig für das Personalwesen im Aquafun. „Wir haben rund 105 Mitarbeitende, lernen hier voneinander und unterstützen uns natürlich gegenseitig“. Für Teamsitzungen und längere, wichtige Gespräche kommt extra eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher für Gebärdensprache zur Unterstützung dazu. „Ansonsten schreiben wir auf einem Whiteboard, das funktioniert prima.“ Zudem hat sich das Team selbst einige Kniffe draufgeschafft, um mit der neuen Kollegin zu kommunizieren. Tipps dazu halt Malgorzata Pabst schon bei ihrer Vorstellung über die Mitarbeiter-App selbst gegeben. So solle man sie antippen, wenn man ein Gespräch beginnen möchte. Zudem sei es hilfreich, wenn ihr Gesprächspartner darauf achtet, dass genug Licht in seinem oder ihrem Gesicht ist, so dass Pabst von den Lippen „ablesen“ kann. Und natürlich sei es hilfreich, langsam und deutlich zu sprechen. „Und wir verständigen uns auch mit Händen und Füßen“, lacht Wortmann.

Weder die Mitarbeiterin noch der Arbeitgeber werden in diesem Projekt alleingelassen. So erhielt das Aquafun vor der Einstellung Unterstützung durch Jessica Peters von der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA). „Wir beraten im Auftrag des LWL-Inklusionsamtes Arbeit zur Einstellung, Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung. Dazu schalten wir, wenn nötig, weitere Fachberater ein und stellen Kontakte her, etwa zur Agentur für Arbeit, zur Rentenversicherung und vieles mehr“, erklärt Jessica Peters von den EAA.

Auch Frank Gerdes, Mitarbeiter der Diakonie Ruhr-Hellweg und Fachberater für hörbehinderte Menschen im Integrationsfachdienst (IFD) unterstützt bei Bedarf in Gebärdensprache und beim Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern am Arbeitsplatz und hilft dabei, Anträge zu stellen. „Wir begleiten die Menschen mit einer Schwerbehinderung oft ihr ganzes Berufsleben hinweg und bei Bedarf schon vor dem Eintritt in die Arbeitswelt“, sagt Frank Gerdes vom IFD. Dieses „an der Seite sein“ über einen so langen Zeitraum, wie es der IFD hier zur Verfügung stellt, sei für den Erfolg und letztendlich die Nachhaltigkeit enorm wichtig.

Malgorzata Pabst hat sich gut eingelebt. In Gebärdensprache erzählt sie: „Meine anfängliche Unsicherheit ist viel besser geworden. Alle sind wirklich sehr lieb zu mir und ich bin gerne hier.“ Dass es menschlich passt, kann Sabine Wortmann nur bestätigen: „Und hier im Team ist jeder bereit, sich über den Tellerrand hinaus zu bewegen. Mit allem, was dazugehört. Das ist ein Projekt, das uns zeigt, dass es sich lohnt, auch unbequeme Wege zu gehen.“

Ihr Ansprechpartner

Jessica Peters
(Ansprechpartnerin als einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber*innen)

0291 2900-123

0160 5322736

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