Wir setzen ein klares Zeichen gegen Kürzungspläne des Landes!
Kirchenkreis Soest-Arnsberg (drh) – „Was passiert, wenn wir nicht mehr vor Ort für die Menschen da sind? Der Wegfall der Landesförderung wird zu erheblichen Versorgungslücken führen, er beschneidet die Rechte der Geflüchteten und zerstört etablierte Strukturen, die wir über Jahre in den Einrichtungen und zu den Menschen dort aufgebaut haben.“ Marija Benakovic, Leiterin der Flüchtlingsberatung der Diakonie Ruhr-Hellweg, findet klare Worte zu den geplanten Kürzungen des Landes in der Flüchtlings- und Migrationsberatung. Gemeinsam mit dem Kirchenkreis Soest-Arnsberg hat die Diakonie deshalb jetzt zu einem Gespräch mit Landespolitikern eingeladen, „denn vielen ist gar nicht klar, was wir dort in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen Tag für Tag leisten und wie wichtig unsere Beratungen für die geflüchteten Menschen sind.“
Hintergrund:
Das Land Nordrhein-Westfalen plant, im kommenden Jahr die landesgeförderte Asylverfahrensberatung (AVB) für Geflüchtete in den Landeseinrichtungen vollständig zu streichen.
Gleichzeitig plant die Landesregierung, ihre Landesaufnahmeeinrichtungen von derzeit 57 auf 75 zu erhöhen. Die Diakonie RWL rechnet deshalb damit, dass in derzeit 35 Landesaufnahmeeinrichtungen keine Berater und Beraterinnen mehr tätig sein können, und dass es in zwei von drei Einrichtungen durch den Kapazitätsausbau keine unabhängige Rechtsberatung mehr geben könnte.
Der Wegfall der Landesförderung führt zu einer erheblichen Versorgungslücke und beschneidet die Rechte der Geflüchteten. Die EU-Verfahrensrichtlinie gewährt Geflüchteten ein Recht auf unabhängige Beratung in ihrem Asylverfahren.
Was leistet die AVB?
Bei der unabhängigen AVB werden die geflüchteten Menschen vor Ortin den Landesaufnahmeeinrichtungen während ihres Asylverfahrens beraten und begleitet. Sie erhalten rechtliche Unterstützung, sie werden aufgeklärt, wie das Asylverfahren oder eine Anhörung abläuft, sie erhalten aber auch umfangreiche soziale Beratung. Für die Diakonie Ruhr-Hellweg arbeiten zurzeit acht Beraterinnen und Berater in den drei Zentralen Unterbringungseinrichtungen (kurz ZUE) in Soest, Möhnesee und Wickede. Im vergangenen Jahr wurden 7.100 Personen beraten. Die Tendenz ist seit Jahren steigend.
Fällt die Förderung des Landes wie geplant zu 100 Prozent weg, bleibt nur noch das seit 2023 bestehende, ohnehin knappe Ergänzungsprogramm des Bundes. Das würde nach jetzigem Stand bedeuten, dass von bisher 77 Vollzeitstellen in NRW in der AVB nur noch 47 Vollzeitstellen besetzt würden – und das bei gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl der Unterkünfte und Kapazitätsausbau in den bestehenden Unterkünften.
Diakonie-Vorstand Christian Korte: „Das Angebot vor Ort muss erhalten bleiben und auskömmlich finanziert werden! In den ZUE herrscht häufig totale Hoffnungslosigkeit. Durch die Beratungen geben wir den Menschen ein Stück ihrer Würde zurück. Das Land darf die Menschen dort nicht allein lassen und sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Es ist fatal, mit der Politik der Verunsicherung bestehende Unterstützungssysteme nachhaltig zu zerstören. Häufig hängt daran auch Ehrenamt, man lässt auch Menschen, die sich vor Ort engagieren, im Stich.“
Dr. Manuel Schilling, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg, der zu der Veranstaltung miteingeladen hatte, ergänzt: „Zum einen sind – grundsätzlich theologisch gesprochen - die Geflüchteten Gottes geliebte Kinder und unsere Geschwister. Zum anderen – ethisch-pragmatisch gesprochen – erhöhen wir durch die fehlende Begleitung von Geflüchteten die Spannung in unserer Gesellschaft. Das kann niemand ernsthaft wollen.“
Auch Geflüchtete waren eingeladen und kamen zu Wort, sie berichteten unter anderem darüber, wie bedeutend die Beratungen für sie seien.
Marija Benakovic nannte konkrete Beispiele ihrer Arbeit: „Die Menschen, die wir tagtäglich beraten, sind vor Krieg und Elend geflohen. Sie haben Furchtbares erlebt, sind verzweifelt, traumatisiert und haben ihre Familien zurückgelassen. Wir beraten auch Minderheiten, mir fällt da ein homosexueller Mann ein, der bei mir in der Beratung war. Er wurde aufgrund seiner Sexualität in seinem Heimatland massiv verfolgt. Er war völlig verängstigt und hatte Angst vor der Anhörung und wollte die wahren Gründe seiner Flucht nicht nennen. Wir sind in der Beratung die ersten, die darüber aufklären, dass das anerkannte Asylgründe sind, die in eine Anhörung hineingehören. Würde diese wichtige Aufklärung fehlen, würden viele dieser Menschen in ihr Heimatland abgeschoben werden, ihr Leben wäre erneut in konkreter Gefahr.“
Die Veranstaltung von Diakonie Ruhr-Hellweg und dem Kirchenkreis Soest-Arnsberg gehört zu einer Reihe von Aktionen, mit denen die Wohlfahrtsverbände in NRW auf die dramatischen Folgen der geplanten Kürzungen aufmerksam machen. Vor dem Düsseldorfer Landtag wird am 13. November erneut eine große Kundgebung mit Beteiligung der Wohlfahrtsverbände in NRW stattfinden. Das Motto: „NRW bleib sozial!“
Geladene Landespolitiker:
- Heinrich Frieling (CDU)
- Christof Rasche (FDP)
- Dr. Gregor Kaiser (Grüne)