„Sogar Bundeskanzler Onkel Willy hat Zuflucht bei uns gesucht“
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Links im Bild ist Herr Lucas Schulz und rechts Herr Wolfgang Musmann zu sehen. Foto:drh
Wir sind gestartet mit unserer neuen Kampagne #einsamkeitbegegnen
Bei unserer Arbeit begegnen wir täglich Menschen, die sich allein fühlen. Wie gehen unsere Kolleginnen und Kollegen damit im Alltag um? Wir stellen hier und in unserem Jahresbericht ihre unterschiedlichen Geschichten vor und stellen fest: Hinsehen, hinhören und da sein…das ist das Rezept gegen Einsamkeit!
Ein Ort, an dem wir der Einsamkeit viel und oft begegnen, ist unsere Bahnhofsmission. Hier suchen uns Menschen auf, die Unterstützung benötigen, jemanden zum Reden. Aber auch für unsere Ehrenamtlichen ist die Arbeit bei der Bahnhofsmission etwas, was sie zutiefst erfüllt und letztlich aus ihrer daheim empfundenen Einsamkeit herauszuholen vermag. Eine schöne Win-Win-Situation. Neun Uhr morgens, es ist ein klarer, sonniger Tag Ende Oktober.
Dienstbeginn für Wolfgang Musmann am Gleis ¾ im Bahnhof Hamm. Auf den Gleisen und im Bahnhof herrscht wuselige Betriebsamkeit, Züge fahren zischend ein und aus, auf den Treppen und im Foyer des Bahnhofs hasten die Menschen eilig von A nach B. Im blauen Häuschen unserer Bahnhofsmission zwischen den Gleisen 3 und 4 ist es gemütlich warm, noch herrscht Ruhe. Inmitten der Hektik des Alltags ist die Bahnhofsmission nicht nur jetzt am Morgen „ein Ort der Zuflucht, der Hilfe. Zu uns kommen unterschiedlichste Menschen, mal helfen wir ganz konkret, mal hören wir zu, wenn jemand einsam, alleine oder verzweifelt ist. Wir haben für jeden eine Tasse Kaffee, Tee oder Wasser und ein offenes Ohr. Jeder Tag ist anders.“
Wolfgang Musmann ist einer von momentan zehn Ehrenamtlichen unserer Bahnhofsmission in Hamm, zurzeit arbeitet der 70-Jährige täglich freiwillig im Schichtdienst bis zirka 13 Uhr. „Alleine zuhause hocken, das ist nicht meins. Lieber helfe ich hier, es macht mir immer noch richtig Spaß.“ Immer noch trifft es gut! Denn Wolfgang Musmann hat schon vor 45 Jahren seinen Zivildienst in der Bahnhofsmission Hamm gemacht. Er spürt eine tiefe Verbundenheit zur Arbeit und weiß, wie wichtig das Angebot schon seit vielen Jahren ist. „Wir begleiten ja auch Menschen, die den Zug verpasst haben, oder die Hilfe beim Umsteigen benötigen. Wir haben eine blinde Frau, der helfen wir schon jahrelang zwei bis dreimal pro Woche beim Umstieg hier in Hamm, damit sie zu ihrem Tanzkurs nach Münster oder Dortmund fahren kann. Ohne uns wäre ihr dieser Sozialkontakt nicht möglich.“ Das ist für die Kolleginnen und Kollegen immer wieder ein Punkt, an dem sie merken: Da tun wir etwas Gutes, wir verhelfen Menschen, sich nicht isoliert zu fühlen. Heute teilt sich Wolfgang Musmann seine Schicht mit Lucas Schulz, Koordinator unserer Ehrenamtlichen bei der Bahnhofsmission. Zur täglichen Routine gehört es, regelmäßig Runden durch den Bahnhof zu drehen. „Zu unserer Klientel gehören wohnungslose Menschen, die hier im Bahnhof einen Großteil ihres Tages verbringen. Dahinter stecken oft schlimme Schicksale, die Menschen schlagen sich jeden Tag irgendwie durch.
Wir bieten Unterstützung an, wir signalisieren:
,Wir sind da für dich, wenn du uns brauchst.‘ Wir schauen nicht weg.“
Mit ihren blauen Westen und dem Logo der Bahnhofsmission fallen die beiden beim Rundgang durch den Bahnhof auf. Ein Nicken hier, ein Lachen dort. „Präsenz zeigen ist ganz wichtig. Und es passiert immer etwas“, erklärt Lucas Schulz. So auch jetzt: Eine Frau hat ihre Zugverbindung nach Hagen verpasst, sitzt orientierungslos auf einer Bank mitten im Bahnhof und weiß nicht weiter. Das Team der Bahnhofsmission hilft schnell und unkompliziert.
„Wir helfen hier ja grundsätzlich jedem, aber an einen Gast kann ich mich noch ganz besonders erinnern“, erzählt Wolfgang Musmann mit leuchtenden Augen. „Damals war ich noch Zivi und plötzlich klingelt es an der Tür. Ich dachte, mich trifft der Schlag! Willy Brandt, der Bundeskanzler, war auf der Durchreise und hat gefragt, ob er bei uns im blauen Häuschen eine dreiviertel Stunde Zuflucht suchen darf. Der hatte keine Lust auf Öffentlichkeit. Das war der Hammer! Wir durften ihn Onkel Willy nennen und gespendet hat er auch noch.“ Beide lachen über die tolle Geschichte, man spürt, wie gut das Miteinander im Team ist. Eine Sache, auf die Lucas Schulz auch besonders stolz ist: „Unsere kleine Gemeinschaft der Ehrenamtlichen ist sehr eng. Viele sehen ihre Berufung im Ehrenamt und für einige, die vorher alleine zuhause saßen, ist hier ein Ort entstanden, an dem sie nicht einsam sind und gleichzeitig anderen Menschen etwas Gutes tun können.“